Mein Stempel, meine Welt

Posted Juli 26, 2021

Englisch

Von Richard Peters

Aus dem Englischen von Julia Harwardt

Arbeit im digitalen 21. Jahrhundert hat für viele weniger mit körperlicher Mühsal als vielmehr mit der Beherrschung der Informationstechnik zu tun. Unsere Arbeit als Übersetzer fällt eindeutig in die zweite Kategorie.

Wir bei Klein Wolf Peters wollen unseren Kunden das Leben erleichtern und nutzen daher nach Möglichkeit dieselben IT-Systeme und Softwarepakete, die auch in ihren Workflows integriert sind. Wir suchen den einfachsten und zugleich effizientesten Weg, um den Ausgangstext zu extrahieren und unsere Übersetzung in der Zielsprache(n) einzufügen. Dafür muss der Kunde zwar keine neuen Systeme installieren, uns aber meist einen Fernzugriff auf bestehende Systeme ermöglichen, was für die IT-Sicherheit wiederum zusätzliche Maßnahmen wie Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA) erfordert.

Klingt ganz schön modern, nicht? Workflow, Fernzugriff, Authentifizierung …. Bei all diesen Begriffen könnte man mich fast für den nächsten Projektmanagement-Guru der Informationssysteme halten. Und wer rechnet schon damit, bei voller Fahrt durch die Wogen der ständigen technischen Neuerungen plötzlich auf ein jahrhundertealtes Medium zurückgreifen zu müssen? Doch genau das war der Fall, als mir einer unserer Kunden für ein routinemäßiges Sicherheitsupdate kürzlich einen neuen Dongle für seine bevorzugte Content-Management-Software zusandte – und mich damit unvermittelt auf eine technologische Zeitreise katapultierte.

Denn um den Empfang dieses schnittigen, wenn auch unauffälligen Geräts zur Erzeugung sechsstelliger Codes zu quittieren, dem als Wegbereiter und Markenzeichen der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie unserer Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts höchste Ehre gebührt, bat mich der Kunde pflichtbewusst, die Bestätigung zu unterzeichnen und abzustempeln. Ja, richtig gelesen: ABZUSTEMPELN – mit Firmenstempel und Stempelkissen zum Anfassen und diesem höchst befriedigenden Stempelgeräusch!

Deutschland gilt seit ewigen Zeiten als Hochburg der Bürokratie. Auch ich hatte in jüngeren Jahren kurz nach meinem Umzug nach München einen Bürojob, bei dem ich seitenweise Personalunterlagen erst sorgfältig abstempeln musste, bevor ich sie in riesigen Aktenschränken in einem muffigen, verstaubten Archiv ablegen konnte. Aber wer hätte gedacht, dass dieses Relikt alter Zeiten, bei dem mit fast schon Steampunk-artiger Zärtlichkeit Firmenname und -anschrift auf Papier gestempelt werden, in der heutigen digitalen Welt fortleben würde?

Zwar waren bereits vor der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus endlich erste Anzeichen des lange prophezeiten papierlosen Büros sichtbar, doch leistete die Pandemie hier noch einmal enormen Vorschub. Bei Klein Wolf Peters sind wir von jeher über unsere Laptops mit der Cloud verbunden, drucken nur äußerst selten ein Dokument aus und gehören daneben zu den Early Adoptern von Microsoft Teams, das mittlerweile auch für viele andere zum Arbeitsalltag gehört und sich als beliebtes Bindeglied zwischen Beschäftigten an Standorten in aller Welt etabliert hat. So waren wir gut gerüstet und bei unserer Lernkurve in Sachen Videokonferenzen und Remote-Teamwork bereits recht weit vorangeschritten, als die Pandemie ihren Lauf nahm.

Was scheinbar aber wirklich noch nicht den Sprung in die Moderne geschafft hat, ist die Schnittstelle zwischen IT und Compliance. Als Unternehmen ist es uns ein wichtiges Anliegen, beim Datenschutz höchste Standards zu erfüllen. Dass ich für eines der wichtigsten Elemente des Datenschutzes – die Multi-Faktor-Authentifizierung – praktisch in der Zeit zurückreisen und auf Stift und Papier zurückgreifen musste, überraschte mich dann doch ein wenig. Vielleicht ändert sich auch das in den nächsten Jahren. Die Bestätigung zu unterzeichnen und abzustempeln, war für mich Anachronismus vom Feinsten. Statt sie aber mit der Schneckenpost zurückzuschicken, fotografierte ich das unterzeichnete Dokument ab und schickte das Bild als PDF an die Agentur, die mir den Dongle geschickt hatte – ein kleiner Sieg in der Schlacht zwischen papierbasierter und rein elektronischer Kommunikation!

Betrachte ich unseren Firmenstempel aber nicht nur als simples Gebrauchsobjekt, sondern auch als Symbol oder sogar Verkörperung unseres Unternehmens, dann, so muss ich zugeben, überkommt mich doch ein gewisser Stolz. Denn er ist unwiderlegbarer Beweis, dass mein Sprung in die Welt des Unternehmertums kein Traum war, sondern meine eigene GmbH wirklich existiert und mit verschiedenen Teilen unserer Wirtschaft sowie Personen aus unterschiedlichsten Lebensbereichen in Kontakt kommt.

So huscht jedes Mal, wenn ich unseren Stempel zücke, ein kleines Lächeln über mein Gesicht. Denn sei es auch nur für einen unbedeutenden administrativen Vorgang: In diesem Moment drücke ich – und damit auch Klein Wolf Peters – der Welt meinen Stempel auf.

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