Can you hear me?

Posted Juni 15, 2020

Englisch

Von Maria Wolf

„Darf ich noch kurz … – hallo?“ Zu spät! Die anderen Teilnehmer haben sich bereits ausgeklinkt. Das Handzeichen wurde übersehen, und die Aktivierung des Mikrofons dauerte zu lange, um sich akustisch noch einmal bemerkbar zu machen. Nach eineinhalb Stunden „Hört Ihr mich? – Ja? Nein? Jetzt? Ok, also ich sagte gerade …“ und vielen Malen, wo etwas wiederholt werden musste, weil – ach, tausend Gründe –, ist man einfach nur noch genervt. Die Konzentrationsfalte auf meiner Stirn kann sich inzwischen mit dem Marianengraben messen. Im tiefsten Tal der Frustration wird man dann auch noch gebeten, die Gesprächsqualität zu bewerten. Zur Benotung werden nur Sterne angeboten – kein schwarzes Loch.

Schon in einsprachigen Videokonferenzen ist es oft schwer, eine fruchtbare Diskussion zu führen. Bilder frieren ein, Sätze scheppern oder glucksen wie sinkende U-Boote, Informationen werden zerhackt, Wortmeldungen gehen unter.

Potenziert werden diese Stolpersteine, wenn mehrere Sprachen im Spiel sind. Dann kommen zu den technisch bedingten Latenzen eventuell auch noch Verzögerungen durch verwirrende Schaltvorgänge zwischen O-Ton, dem richtigen Sprachkanal und Mikro. Zwar hat sich die Technik in den letzten Jahren – und speziell in den letzten Wochen – enorm verbessert, auch Moderatoren, Teilnehmer und Dolmetscher haben dazugelernt, dennoch ist die Kommunikation in virtuellen Zusammenkünften oft noch holprig und ungleich anstrengender als in Präsenzveranstaltungen.

Was aber macht die virtuellen Meetings so anstrengend? In einem Präsenzmeeting wird unsere Fähigkeit, Gespräche zu führen, durch ein Netz vieler Signalquellen unterstützt. Körpersprache, Gesten, Mimik, Stimmung im Raum helfen uns, Informationen intuitiv aufzunehmen und zu verarbeiten, aber auch Situationen zu analysieren und zu bewerten. Viele dieser Prozesse sind Verarbeitungsroutinen, die in den energiesparsamen Gehirnbereichen ablaufen.

Virtuelle Meetings wirken dagegen geradezu eindimensional und berauben uns eines Großteils der nonverbalen Kommunikation, die zum Verständnis des Gesprochenen beiträgt. Obwohl und gerade weil viele dieser Signale wegfallen, erfordern Videokonferenzen eine erhöhte Konzentration und Leistung von energiezehrenden Gehirnbereichen, um Informationen zu verarbeiten und angemessen zu reagieren.

Für Dolmetscher ist die Remote-Technik besonders fordernd. Zwar wurden wir zu unserem Leidwesen schon in der Vergangenheit öfter mal mit oder auch ohne Kabine in Nebenräume mit Bildschirmübertragung des Konferenzgeschehens ausgelagert, aber zumindest hatten wir über die Kabelverbindung und unsere gewohnten Schaltpulte einen sauberen, lautstärkeregelbaren Empfang, kaum Latenz und konnten uns mit unserem Teampartner leicht verständigen und gegenseitig unterstützen. Aber schon diese Konstellation – meist eine platzbedingte Notlösung – war für Dolmetscher anstrengender, da die Kameraeinstellung meist nur eine Fernsicht auf den Redner bot, sodass man Mimik und Lippenbewegung nicht oder bestenfalls noch mit Verzögerung verfolgen konnte und ein Großteil der nonverbalen Kommunikationshilfen wegfiel.

COVID-19 stellt die Welt auf den Kopf und verbannt alle Beteiligten in den Remote-Modus – jedenfalls vorerst einmal. Um allen Teilnehmern internationaler, mehrsprachiger Meetings dennoch eine gleichwertige Beteiligung an den Diskussionen zu ermöglichen, bedarf es einer angemessenen technischen Ausstattung, versierter Techniker, erfahrener Moderatoren – und nicht zuletzt natürlich professioneller Dolmetscher.

In der Not werden nun häufig Lösungen improvisiert, mehrere Telefonleitungen parallel zur Videokonferenz aufgebaut, um für die Verdolmetschung separate Kanäle bereitzustellen. Aber diese mehr schlecht als recht funktionierenden Bastellösungen diskriminieren häufig die zugeschalteten Teilnehmer, die auf eine Verdolmetschung angewiesen sind: Schwankende Verbindungsqualität, technische Latenzen und komplexe Umschaltvorgänge, um nicht aus Versehen die falsche Leitung stumm zu schalten oder zu aktivieren, wirken oft einschüchternd, verhindern spontane Einwürfe und führen dazu, dass Teilnehmer ihre wertvollen Gedanken entweder aus Angst, Umstände zu machen oder zu nerven, für sich behalten oder durch technische Hindernisse nicht an den Mann bringen.

Klar im Vorteil ist, wer bei der Ausstattung nicht kleckert, sondern klotzt: Stabile Leitungen, intuitiv bedienbare Schaltpulte, leistungsfähige Kopfhörer und Mikros für einwandfreien In- und Output, eine störungsfreie Umgebung, die passenden Plattformtools für den speziellen Anwendungsfall und eine umfassende Einweisung aller Beteiligten in die Nutzung des Settings sowie im Idealfall sorgfältige Testläufe im Vorfeld sind Voraussetzung für eine effiziente virtuelle Diskussionskultur.

Ferndolmetschen: Mit Abstand verbinden

Auch wenn Ferndolmetschen schon seit den 90er-Jahren in bestimmten Bereichen wie Justiz und Medizin im zeitversetzten (konsekutiven) Modus genutzt wird, hat das Coronavirus den Bedarf und die Entwicklung entsprechender Lösungen für das Simultandolmetschen noch einmal sprunghaft beschleunigt. Zwar haben Dolmetscherverbände wie AIIC, VKD oder FIT und Konferenztechnikanbieter in den letzten Jahren Normen und technische Möglichkeiten entwickelt, um Veranstaltungen aus der Ferne simultan zu verdolmetschen. Allerdings ging man dabei von der Verbindung zwischen lediglich zwei Orten aus: dem Veranstaltungsort mit allen Teilnehmern einerseits und einem Dolmetscher-Hub andererseits.

Die verschärften Abstandsregelungen der Corona-Pandemie stellen den Markt nun vor neue Herausforderungen. Sowohl Anbieter als auch Nutzer softwarebasierter Dolmetschplattformen durchlaufen einen steilen Lernprozess bei der Anpassung ihrer Tools an die neuen mehrsprachigen Veranstaltungsformate, die sich daraus ergeben. Die besseren Lösungen mögen aufwändig erscheinen und sind in der Regel nicht billiger als klassische Konfigurationen. Aber was Sprache verbindet, sollte Technik nicht trennen. Improvisierte Remote-Settings mit wackeligen Verbindungen unterwandern nicht nur die Qualität der Dolmetschleistung und der Kommunikation, sondern hängen schnell mal einen Teilnehmer ab – vom Datenschutz wollen wir gar nicht erst reden.

Klein Wolf Peters berät gerne und unterstützt international besetzte Veranstaltungen und Meetings mit Know-how und erfahrenen, kompetenten Dolmetschern, die auch dann noch ganz nah an den Lippen der Redner dranbleiben, wenn Hunderte von Kilometern zwischen ihnen liegen, damit es am Ende nicht nur heißt: „Did you hear me?“, sondern auch: „Ja, und ich habe Sie auch verstanden.“

 

Comments (2)

  • Antonella Mariotti says:

    Sehr richtig, Maria! Ich finde Deine Beschreibung vom Geschehen im RSI für uns Dolmetscher wirklich gut ge- und beschrieben!
    Alles in allem bleibt zu hoffen, dass bald wieder der „normale“ Konferenzbetrieb einsetzt…

    • Maria Wolf says:

      Hallo Antonella, Danke für Dein Feedback. Es ist gut, gerüstet zu sein, falls einige Settings den Remote-Modus beibehalten. Es wird aber auch wieder Präsenzmeetings geben, denn die Gespräche, die Integrationsprozesse, Verständigung und knifflige Konsensfindungen voranbringen, finden doch überwiegend jenseits der großen Bühne im persönlichen Austausch statt. Auf hoffentlich baldige Zusammenarbeit wieder in der Kabine!

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