Duolingo – Sprachenlernen nach dem Kekskonzept
Von Richard Peters
Aus dem Englischen von Solveig Rose-Mollard
Ich muss gestehen: Ich liebe Duolingo (Disclaimer: Dieser Beitrag wird weder von Duolingo gesponsert noch bestehen Beziehungen zu den Entwicklern – ich bin einfach nur ein Riesenfan). Die Gratis-App (geringe Kosten fallen an, wenn man auf Werbung verzichten möchte) hilft allen mit Smartphone – also den meisten Menschen auf unserem Planeten – schnell und einfach beim Sprachenlernen. Eine App, die meine Begeisterung für Sprache teilt – wie hätte ich ihr nicht verfallen sollen?!
Besonders gefällt mir, wie Duolingo scheinbar mit Unsinn das Lernen erleichtert. Da ich sowohl im Beruf als auch privat nicht immer nur Sinnvolles von mir gebe, verfangen die abenteuerlichen Aussagen in den verschiedenen Sprachen, mit denen ich gerade arbeite, bei mir absolut. Für mich ist es durchaus logisch, dass etwa die Streiche eines grünen Elefanten nachdrücklicher im Gedächtnis bleiben als die Reifen eines grünen Autos. Denn der lustige Dickhäuter wirkt an sich schon als liebenswerter Hingucker.
Duolingo setzt auf spielerische Konzepte, um seine Nutzerinnen und Nutzer bei der Stange zu halten. Für jede abgeschlossene Lektion erhält man beispielsweise Edelsteine, mit denen man Spezialfunktionen kaufen kann. Wer brav täglich übt, wird außerdem gelobt. Und jede Woche sieht man, wie man gegenüber 29 weltweit zufällig ausgewählten Sprachlernenden abschneidet. Je länger man am Ball bleibt, desto stärker bekommt man das Gefühl, etwas Besonderes zu sein.
Worüber ich bis vor Kurzem kaum nachgedacht habe: wie intensiv Duolingo KI nutzt¹. Kurz nach der Gründung 2012 erkannten die Entwickler, dass sie ihr Produkt mit der innovativen Technologie deutlich verbessern konnten. In ihrem ersten Use Case sah die App voraus, wenn etwas Erlerntes schnell vergessen werden würde, weil es nur eher selten vorkommt. Das Modell wählt daher gezielt die Übungen aus, die Duolingo dann individuell tagtäglich auftischt.
Auch wenn die App all ihren Nutzern dieselben 20 Wörter eintrichtert, unterscheidet sich die User Experience von Fall zu Fall, da die Lektionen, die diese 20 Vokabeln enthalten, immer auf die jeweiligen Fertigkeiten zugeschnitten sind: Um etwa das Wort „Baum“ zu lernen, wird dem einen Nutzer womöglich „Der Baum ist sehr groß“ angezeigt, wohingegen ein anderer „Gestern kletterte ich auf einen Baum“ sieht – je nachdem, ob man nach Ansicht der KI, basierend auf allen früheren Lektionen, eher Adjektive oder Verben üben sollte.
Ein anderer Anwendungsfall von KI sagt mittels maschinellen Lernens (ML) voraus, ob ein bestimmter Satz für einen bestimmten Nutzer leicht oder schwer verständlich ist. Die Vorhersage basiert dabei auf der Wahrscheinlichkeit, mit der eine Übung mit diesem Satz richtig bearbeitet wird. Der Clou dabei: Das ML-Modell verfolgt während der Lektion, wie der Nutzer abschneidet, und wählt passend dazu schwerere oder leichtere Übungen aus. Diese KI-Funktion – also die Anpassung des Schwierigkeitsgrades – basiert auf den Daten aller anderen App-Nutzer.
Doch KI kommt auch noch anderweitig zum Einsatz: Statt einfach Sätze in einer fremden Sprache anzuzeigen, analysiert Duolingo die Fehler des jeweiligen Nutzers, sodass genau diese Schwachstellen in künftigen Lektionen gepaukt werden können. War die falsche Antwort auf einen Tippfehler zurückzuführen? Wurde das Verb falsch konjugiert? Befand sich das Adjektiv an der falschen Stelle? Oder handelt es sich um einen systematischen Fehler? Hierzu ist deutlich mehr Rechenleistung gefordert, als einfach die Eingabe mit der richtigen Antwort zu vergleichen und dann „Richtig“ oder „Falsch“ auszuspucken.
Ich nutze Duolingo regelmäßig und finde, dass ich in der empfohlenen Übungszeit von 15 bis 20 Minuten pro Tag genau so in die jeweilige Sprache eintauche, dass mein Gehirn neue Vokabeln und Grammatik aufsaugen kann – als tunke man einen Keks in einen exotischen Tee. Für meinen Geschmack bliebe der Keks bei täglich fünf Minuten Training zu trocken, da neue Wörter und Sätze einfach von ihm abtropfen und maximal ein paar Flecken mehr auf dem großen Tuch der Vergessenheit hinterlassen würden. Allerdings gebe ich den Entwicklern von Duolingo recht, dass fünf Minuten immer noch mehr bringen, als gar nicht zu üben. Um im Bild zu bleiben: Selbst ein trockener Keks schmeckt besser als eine Handvoll Staub.
Trotz aller Begeisterung sei hier auch auf die Schwachstellen der App hingewiesen. Heruntergeladen habe ich sie vor etwa vier Jahren und tippte daraufhin regelmäßig Sätze in mein Smartphone ein oder brachte Wörter in die richtige Reihenfolge, um Sätze zu bilden. Recht schnell stellte ich fest, dass mein Fleiß mir nicht nur Edelsteine, sondern auch Schmerzen in Fingern, Daumen und Schultern einbrachte. So habe ich dann den Traum vom fließenden Portugiesisch zugunsten meiner Fingerfertigkeit aufgegeben. Vor einiger Zeit riss es mich dann doch wieder, um mit Duolingo noch schnell vor meinem ersten Hellas-Urlaub etwas Griechisch zu lernen (wobei ich dort letztlich nicht ein Wort Griechisch gesprochen habe, aber das ist eine andere Geschichte). Seitdem nutze ich die App mehr oder weniger täglich, achte aber stärker auf meine Finger – bisher mit Erfolg.
Angesichts der großen Fragen, die KI und ihre Auswirkungen auf unser aller Alltag weltweit für viele aufwerfen, zeigt dieses Beispiel, wie viele Vorzüge die Technologie doch ebenfalls mit sich bringt. Allein eine bessere Kommunikation zwischen Angehörigen unterschiedlicher Sprachräume ist schließlich schon eine Menge wert.
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¹ Wie Duolingo künstliche Intelligenz einsetzt, wird in diesem Artikel sehr gut erklärt: https://venturebeat.com/ai/how-duolingo-uses-ai-in-every-part-of-its-app/