Un-digitale Nomaden unterwegs

Posted August 22, 2018

Englisch

Wie der treue Leser unseres Blogs hocherfreut hören wird, habe ich es geschafft: Ich habe in meinem Sommerurlaub endlich ein Buch gelesen, das seit gut 20 Jahren in meinem Bücherregal wertvollen Platz für neue Errungenschaften belegte. Creatures of the Kingdom ist eine Sammlung an Auszügen verschiedener Arbeiten von James Michener, darunter Hawaii, Alaska, Chesapeake und Centennial, allesamt Geschichten von der Erde und ihren tierischen Bewohnern, häufig mit vorzeitlichem Hintergrund. Ich will Ihnen keine Buchrezension liefern, aber dennoch darauf hinweisen, dass mich, auch wenn ich mit der einen oder anderen Passage so meine Schwierigkeiten hatte, diese verschwundenen Welten geradezu gefesselt haben, in denen vor langer, langer Zeit Gebirgszüge und Inseln das Licht der Welt erblickten und es nur so wimmelte von mittlerweile ausgestorbenen Tieren.

Da ich dieses Buch vor gut zwei Jahrzehnten geschenkt bekommen habe, handelt es sich dabei natürlich um ein Druckexemplar. Und selbstverständlich ist es wesentlich mühseliger, dieses Buch herumzutragen als einen schlanken, kompakten E-Reader, der dutzende Bücher aufnehmen kann. Auch mein relativ alter E-Reader enthält etliche Bücher, die ich noch nicht gelesen habe. Aber E-Reader sind tolle Reisebegleiter: Man kann ohne Übergepäckzuschlag gleich mehrere Bücher mitnehmen, mit der Suchfunktion eine bestimmte Passage viel einfacher wiederfinden (wo im Himmel stand „caballero“ nochmal?), Wörter in den integrierten Wörterbüchern (ich habe ein deutsches und ein englisches) nachschlagen und Abschnitte farblich markieren und mit Notizen versehen, die sich auf einen Blick lesbar zusammenfassen lassen.

Trotzdem machte es mir mehr Spaß, Micheners Buch in gedruckter Form zu lesen. In „analogen“ Büchern markiere ich mir gern mal ein interessantes oder unbekanntes Wort oder eine Äußerung, die ich weiter untersuchen möchte. Zum Beispiel sagt Michener, dass das spanische Wort für „Herr“ direkt mit dem für „Pferd“ („caballo“) zusammenhängt: Ein reitender Mann wird also zum „caballero“. Die englische Bezeichnung „chivalrous“ für einen besonders galanten und höflichen Mann hat eine ähnliche Etymologie, allerdings mit Ursprung im Französischen statt Spanischen. Laut Michener sind auch Fische zu Empfindungen fähig. Beide Aussagen wollte ich überprüfen. Ich lege aber Bücher nur ungern beiseite, um online zu recherchieren, einen Stift habe ich auch selten zur Hand, und ich weigere mich, mit Tinte in Bücher zu schreiben. Also benutze ich Papierschnipsel als Lesezeichen für die Seiten, auf die ich nochmals zurückkommen möchte.

Wenn ich dann eine Geschichte, ein Kapitel oder sogar das ganze Buch fertiggelesen habe, gehe ich durch alle mit einem Lesezeichen markierten Seiten und bete, dass ich mich noch daran erinnern kann, was ich mir nochmal ansehen wollte. Das kann alles Mögliche sein: Etymologien, Erwähnungen historischer Personen, Liedtexte, alles, was mir hilft, die Aussage des Autors besser zu verstehen. Am Rand füge ich – hoffentlich lesbar – meine Notizen ein, mit Bleistift, falls der nächste Besitzer mein Gekritzel wegradieren möchte. Meine Hand streicht über die glatten Seiten, ich kann vielleicht auch den Geruch von Papier, Tinte, womöglich sogar Buchkleber wahrnehmen. Vielleicht möchte ich mit diesem Ritual die Freude, die mir diese Form des Lesens bereitet, einfach nur verlängern – ebenso wie man nach dem Backen den Teiglöffel ableckt.

 

Also, analog oder E-Reader: Was bevorzugen Sie?

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