Aus der Zeilenschmiede: Jess Crutchley
In dieser Ausgabe: Jess Crutchley, Senior Editor and Translator
- Was hast Du Dir für 2021 vorgenommen?
Ich möchte nochmal einen Marathon laufen, nach Möglichkeit in weniger als vier Stunden.
- Hast du im Zuge deiner beruflichen Laufbahn Veränderungen im Sprachgebrauch beobachtet?
Im Deutschen werden immer häufiger bewusst englische Begriffe und Wendungen gebraucht, das gilt vor allem für die Umgangssprache, aber auch für die Texte, die wir übersetzen.
Natürlich ist jeder Text, den wir bearbeiten, anders und stellt je nach Kunde, Zweck und Zielgruppe seine eigenen Anforderungen. Werden in einem deutschen Text jedoch großzügig englische Begriffe verwendet, kann das beispielsweise bei der Übersetzung journalistischer Texte ins Englische recht knifflig sein. Dass in einem deutschen Text zuerst der deutsche und dann kurz später der englische Begriff als Synonym benutzt wird, habe ich unzählige Male gesehen.
Ein Beispiel: Wir bieten Ihnen ein breites Spektrum an Dienstleistungen. Zu unserem Serviceangebot gehört unser vielfach preisgekrönter Kundendienst. Wörtlich übersetzt wäre das: We offer a wide range of services. The services we offer include our multiple prizewinning customer services.
Da sich so etwas aber nicht gerade schön liest, vermeiden wir es bei der Übersetzung solcher Texte ins Englische möglichst, in kurzen Abständen dasselbe Wort zweimal zu benutzen. Die maschinelle Übersetzung hat damit übrigens überhaupt kein Problem – der stilistische Feinschliff ist deshalb ein schlagendes Argument dafür, warum sie den menschlichen Übersetzer nicht ersetzen kann. Um also nicht zweimal hintereinander dasselbe Wort zu benutzen, brauchen wir entweder ein anderes Synonym (das nicht immer existiert) oder müssen die Aussage geschickt umschreiben. Et voilà: Our multiple prizewinning customer support is just one part of the diversified portfolio of services we offer you.
In anderen Fällen kann die Verwendung englischer Begriffe im Deutschen unseren Job aber auch erleichtern. Wenn wir sicher sind, dass ein bestimmtes Wort oder eine Wendung tatsächlich passt und kein Denglisch ist, können wir die Formulierung auch in unseren Zieltexten verwenden. Häufig ist das bei neuen Konzepten im Hightech-Bereich der Fall, die der englischsprachigen Welt entstammen.
- Welchen Tiernamen magst du am liebsten in seiner wortwörtlichen Bedeutung?
Ist vielleicht ein bisschen albern, aber englische Muttersprachler wird die wörtliche Übersetzung von „skunk“ – also „Stinktier“ sicherlich erheitern. Wer einmal erlebt hat, welchen Geruch dieses Tier absondert, weiß, dass das eine ziemlich treffende Beschreibung ist. Deutsch ist einfach eine wunderbar wortgetreue und veranschaulichende Sprache!
- Ist das Glas halbvoll oder halbleer?
Da muss ich an einen cleveren Spruch denken, den ich hier in Deutschland mal auf einem Bierdeckel gelesen habe: „Das Glas ist halb voll – aber nicht mehr lange!“ Ich betrachte das Glas immer als halbvoll, zumindest versuche ich es. Meiner Erfahrung nach kann negatives Denken unglaublich zermürbend sein, deshalb bemühe ich mich immer sehr, beide Seiten zu sehen und jeder Situation etwas Positives abzugewinnen. Sollten doch einmal die negativen oder pessimistischen Gefühle überwiegen, kann ich mich entscheiden: Entweder ich ändere etwas an meiner Lage oder ich ändere meine Einstellung.
- Homeoffice: Top oder Flop?
Zuhause zu arbeiten hat zwar immense Vorteile, im Idealfall würde ich aber sowohl daheim als auch im Büro arbeiten. Nach fast einem ganzen Jahr im Homeoffice vermisse ich dann doch einige Dinge aus dem Büroalltag!
- See oder Meer?
Bitte nicht falsch verstehen, aber auch wenn ich die zahlreichen Seen im Münchner Umland großartig finde, würde ich mich doch für das Meer entscheiden. Das Rauschen der Wellen und die Seeluft finde ich einfach unglaublich entspannend.