Die Bücher unserer Jugend

Posted September 23, 2021

Englisch

Zu Ehren des #WorldKidLitMonth, mit dem übersetzte Weltliteratur für Kinder und Jugendliche gefeiert wird, haben wir bei Klein Wolf Peters der Bücher und Geschichten gedacht, die uns als Kinder besonders am Herzen lagen.

Kristin Fehlauer: Wenn ich überlege, welches meine Lieblingskinderbücher waren, kommen mir sofort „Alice im Wunderland“, Nancy Drew und die Bücher von Madeleine L‘Engle in den Sinn. Da wir im September jedoch den „World Kid Lit Month“ begehen, also den Monat der Weltliteratur für Kinder und Jugendliche, die ins Englische übersetzt wurde, möchte ich näher auf die Märchen der Gebrüder Grimm eingehen. Als Auswahl erscheinen sie weniger naheliegend als die erwähnten Bücher, vielleicht weil sie allgegenwärtig sind. Man kennt die Geschichten, selbst wenn man sie nicht selbst gelesen hat. Rapunzel, Schneeweißchen und Rosenrot oder Rumpelstilzchen waren wahrscheinlich das Erste, was ich über Europa gelesen oder gehört habe und was meine Vorstellung vom Kontinent geprägt hat. Wie spannend war später als Erwachsene die Entdeckung der Orte, die so sehr den Bildern in den Büchern ähnelten. Der Besuch der Städte wie Hameln oder Bremen vom Rattenfänger und den Stadtmusikanten vorbei an den Statuen und Tafeln, die der kleinen, längst vergessenen Königreiche und Heldinnen gedachten, war ein Märchen für sich.

Maria Wolf: Als Kind bin ich auf jeden Laubbaum geklettert, der es versäumt hat, mir rechtzeitig auszuweichen. Machtlos gegenüber meinem Baumkletterdrang haben es meine Eltern vorgezogen, lieber nicht hinzuschauen und meinen motorischen Fähigkeiten – und wahrscheinlich dem lieben Gott – zu vertrauen. Dennoch erinnere ich mich an ein mir häufig vorgelesenes Kinderbuch mit einer Zeichnung eines Mädchens, das mit den Haaren in einem Baum hängengeblieben war. An den genauen Verlauf der Geschichte und den vollständigen Reim erinnere ich mich nicht mehr, wohl aber an den eindrucksvollen Satz: „… und morgen holen wir sie runter.“

Richard Peters: Meine Geschwister und ich hatten das Glück, in einem zweisprachigen Haushalt mit englischen und deutschen Büchern aufzuwachsen. Ein Buch, das uns ebenso faszinierte wie abschreckte, war der deutsche Klassiker „Struwwelpeter“. Diese Zusammenstellung von Darstellungen, was mit unartigen Kindern passiert, ist wirklich furchterregend. Aus dem Stegreif hier einige der Bilder, die mich heute noch verfolgen: Lutsche nicht am Daumen, sonst kommt der Schneider mit der Schere und schneidet sie ab; oder wer wie Hanns Guck-in-die-Luft nicht auf den Weg achtet, fällt ins Wasser und ertrinkt; oder wer mit dem Feuerzeug spielt, brennt sich und alle Lieben nieder – eine Achterbahn barbarischer Horrorgeschichten! Und doch enthält das Buch eine Geschichte mit überraschend moderner Botschaft zu Diversität und Akzeptanz, wenngleich auch nicht in POC-konformer Sprache verfasst: Mach Dich nicht über Menschen anderer Hautfarbe lustig!

Julia Harwardt: Quell meiner Liebe für Wort- und Sprachspielereien (und wahrscheinlich Grund meiner Berufswahl) sind wohl Bücher wie „Katze mit Hut“ von Desi und Simon Ruge, „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ von Michael Ende und Christian Morgensterns „Galgenlieder“ (wenn auch nicht per se ein Kinderbuch). Bücher waren in meiner Kindheit und Jugend mein Ein und Alles. Auch heute noch lese ich sehr gerne, wenn auch leider nicht mehr mit der Begeisterung und Weltvergessenheit, mit der ich als junge Leserin eine Abenteuer-, Grusel- oder Detektivgeschichte nach der anderen verschlingen konnte. Wenn dann nach schier endlosem Warten endlich wieder der Bücherbus (eine Art mobile Stadtbücherei) in unserem Ort parkte, war das immer das Highlight meiner Woche.

Colin Rae: Im Alter von etwa acht Jahren habe ich vor allem ein Buch immer wieder gelesen: „Thirteen Ways to Sink a Sub“ (13 Wege, einen Vertretungslehrer abzusägen) von Jamie Gilson. Es spielt in einer US-amerikanischen Grundschule. Eine vierte Klasse bekommt einen Vertretungslehrer, einen „Sub“, und wettet sofort traditionsgemäß, wer den Sub als Erstes zum Weinen bringt: die Jungs oder die Mädchen. Als eines der ersten Bücher aus amerikanischer Feder schärfte es mein Bewusstsein dafür, dass es da draußen offensichtlich andere Formen des Englischen gibt. Wäre es im Vereinigten Königreich geschrieben worden, hätte es „primary school“ statt „elementary school“ sowie „primary four class“ und „supply teacher“ statt „fourth-grade class“ und „substitute teacher“ (kurz: „sub“) geheißen. Das Fundament meiner Lokalisierungskompetenz wurde also scheinbar schon in sehr früher Kindheit gelegt.

Solveig Rose-Mollard: Als Dreijährige war mein erstes Lieblingsbuch „Mog und Bunny“ von Judith Kerr. Etwas später rezitierte ich bereits Wilhelm Buschs „Max und Moritz“. Weiter angefacht wurde meine Bücherliebe von meinen Eltern, die mir allabendlich Geschichten unter anderem von Astrid Lindgren vorlasen. Als ich selbst lesen konnte, eskalierte meine Sucht. Ob im Schulbus, nachmittags statt Hausaufgaben, abends mit Taschenlampe unter der Decke, auf jeder noch so kurzen Autofahrt oder beim Warten– ich las überall und in jeder (un)freien Minute. Mit „Der kleine Vampir“, Enid-Blyton-Bänden aller Art oder Michael Ende versank ich einer Fantasiewelt, in der ich kaum mehr ansprechbar war. Das daraufhin verzweifelt ausgesprochene elterliche Leseverbot zwang mich stundenlang aufs „stille Örtchen“. Diesem Junkie-Dasein ist es geschuldet, dass ich heute nur selten ein Buch zur Hand nehme. Noch immer vergesse ich beim Lesen alles um mich herum und verschiebe Dringendes auf unbestimmte Zeit – mit deutlich massiveren Konsequenzen als im Jugendalter.

Ronald Erlandsson-Klein: Im Transsylvanien meiner Kindheit gab es keine Bücher – jedenfalls nicht im Haus meiner Eltern, das in einem sehr abgeschiedenen Dorf Siebenbürgens lag. Mit Mühe erinnere ich mich an alte, schwarze Kirchengesangbücher, die jeden Sonntag für die Messe hervorgekramt wurden. Dagegen hatte ich das Privileg in einem Bullerbü des Balkans aufzuwachsen, wodurch mir Kinderliteratur noch lange Jahre als plumper Abklatsch wirklicher Abenteuer vorkam. Aus Wehmut über den späteren Verlust dieser Idylle und auch aus Nostalgie habe ich mich von Karl May immer wieder gerne in diese Welt verführen lassen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.