Ein Untertitel sagt mehr als tausend Bilder

Posted Februar 28, 2022

Englisch

Von Richard Peters
Aus dem Englischen von Solveig Rose-Mollard

 

Solange ich denken kann, haben Untertitel für mich etwas Verheißungsvolles an sich. Als wären sie das Tor zu unbekannten Welten voller exotisch klingender Wörter und fremdartiger Bilder. Jetzt, da ich mich beruflich mit ihnen auseinandersetze, erschließen sich mir tiefe Einblicke in ihr faszinierendes Universum.

Ich erinnere mich, dass ich in meiner Kindheit und Jugend in London abends oft mit meinen Eltern fremdsprachige Filme im Fernsehen ansah. Zwar boten die meisten den Komfort einer englischen Synchronisierung, doch hin und wieder waren sie stattdessen mit Untertiteln unterlegt – vermutlich, weil das Zielpublikum zu klein war, um eine Vollbesetzung Synchronsprecher zu rechtfertigen. Doch gerade diese seltenen Streifen faszinierten mich mit ihrer exotischen Bild- und Klangmalerei am meisten.

Da ich der jeweiligen Sprache natürlich nicht mächtig war, hing ich wie gebannt an den vorüberziehenden Zeilen, um zu verstehen, worum es ging. Doch Untertitel sind ein zweischneidiges Schwert, wie mir bald bewusst wurde: ohne muss man hoffen, sich die Handlung anhand der Bilder zusammenreimen zu können, mit haftet der Blick unweigerlich auf den unteren 20 Prozent des Bildschirms. Ich möchte nicht ausschließen, dass das Dilemma möglicherweise zum Teil an mir liegt: Bei Filmen mit Untertiteln ziehen die auftauchenden Zeilen meine Augen derart in ihren Bann, dass ich vergesse, aufs Bild zu schauen – sogar, wenn ich das Gehörte eigentlich verstehe, und auch dann, wenn ich den Text gar nicht lesen kann. Aber selbst wenn man, anders als ich, Lesen und Sehen halbwegs in Einklang zu bringen vermag, besteht die Gefahr, von zu viel Text in zu kurzer Zeit geradezu überfahren zu werden.

Meine Arbeit als Redakteur und Übersetzer für Unternehmenskommunikation hat Untertitelung für mich in ein völlig neues Licht gerückt. So liegt es in meiner Verantwortung, bei der Bearbeitung von Kundenvideos – etwa einem Interview oder einer Produktpräsentation – dafür zu sorgen, dass meine Untertitel die Zielgruppe nicht überfordern. Hierzu nutzen wir eine entsprechende Untertitelungssoftware, mit der sich genau bestimmen lässt, wie der Textfluss zum entsprechenden Bildmaterial angezeigt wird.

Richtiges Untertiteln ist wie Übersetzen mit einem Beigeschmack von Dolmetschen: Was ist für das Verständnis unabdingbar? Was kann man getrost unterschlagen, um den Zuschauer nicht vollständig mit Text auszulasten und ihm Gelegenheit zu geben, auch die Bildinformationen aufzunehmen? Das Schriftbild nicht zu vergessen: Wie können Schriftanordnung, -art, -größe und -farbe dem Verständnis zu- oder abträglich sein? Auch das Timing ist enorm wichtig, weshalb man sich als Untertitler bisweilen wie ein Musikproduzent vorkommt: Wie lang muss das Geschriebene angezeigt werden, um gut lesbar zu sein? Wie schnell darf ich zum nächsten gesprochenen Satz übergehen? Wie lassen sich Sprecherwechsel leicht veranschaulichen? Es gilt, so viel mehr Bälle in der Luft zu halten als beim „bloßen“ Übersetzen für Leser, die weder mit Zeitdruck noch mit anderen, sie gleichzeitig in Beschlag nehmenden Inhalten jonglieren müssen.

Gute Untertitel können Videos und Filmen aller Art beträchtlichen Mehrwert verleihen. Doch gute Untertitel zu erstellen, kostet Zeit. In der Geschäftswelt, wo ein Clip oder Film Partner mitnehmen oder Kunden überzeugen soll, ist der Aufwand jede Mühe wert. Denn schlechte Untertitel wirken bestenfalls komisch, schlimmstenfalls abschreckend. Das weiß jeder, der schon einmal auf die allzu oft sinnentstellten automatischen Untertitel mit abenteuerlicher Rechtschreibung von YouTube angewiesen war.

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