„Spanisch spreche ich mit Gott …
… Italienisch mit Frauen, Französisch mit Männern und Deutsch mit meinem Pferd.“ (Karl V.)
In meinen sieben Jahren in London ertappte ich mich ein paar Mal dabei, dass ich mich richtiggehend und aufrichtig freute, wenn ich in der U-Bahn jemanden Deutsch sprechen hörte. Ich komme aus einem 1.200-Seelen-Dorf im Allgäu, mein Vater ist Deutscher, meine Mutter Engländerin und in London wollte ich eigentlich die große weite Welt sowie möglichst viele neue Blickwinkel und Lebensstile kennenlernen. Und trotzdem: Der Kontakt zu anderen deutschen Muttersprachlern machte mich irgendwie richtig glücklich. Vielleicht lag es nur daran, dass mich meine Landsmänner und -frauen an Zuhause erinnerten, doch aus einem mir unbekannten Grund nahm ich an, dass ich mit einer fremden Person alleine durch die gemeinsame Sprache eine Verbindung hätte. Sollte der Spruch „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ also wirklich stimmen? Möglich. Und wenn ja, wie weit lässt eine gemeinsame Sprache auf dieselbe Mentalität schließen? Und wo gehöre ich als „Mischling“ eigentlich hin?
Deutsche Eigenheiten in Sprache und Mentalität
Uns Deutschen wird ja nachgesagt, dass wir sehr direkt sind. Ich würde das auch bestätigen und finde es gut, dass man hierzulande tatsächlich jedem offen seine Meinung zu (fast) jedem Thema sagen, Missstände direkt ansprechen und ein Meeting sofort mit der eigentlichen Agenda beginnen kann. Doch spiegelt sich das auch in unserer Sprache wider? Scheinbar war Karl V. dieser Meinung, wenn er gerade Deutsch mit seinem Pferd sprach, bei dem vermutlich klare Anweisungen nötig waren. Und tatsächlich gibt es viele Begriffe, die keine Fragen offenlassen und ihre Bedeutung sehr direkt beschreiben – schöne Beispiele hierfür sind „Stinktier“, „Nashorn“ oder „Biergarten“ und „Fernweh“. Im Gegensatz zu anderen Sprachen – wie Französisch – „verheiratet“ die deutsche Sprache lieber mehrere Wörter in einem, statt sie umständlich zu umschreiben, wie man an „Fussbodenschleifmaschinenverleih“, „Reservierungsbereich“ oder auch „Telekommunikationsdienstleistungsunternehmen“ sehen kann. Vielleicht ist dieser Umgang mit unserer Sprache, der ja gerne belächelt wird, aber ein Zeichen für die vermeintlich typisch deutsche Effizienz, bei der Pragmatismus vor Ästhetik geht.
Gegenbeispiel: Die Engländer und die feine englische Art
Das Gegenbeispiel verkörpern die Engländer: Sie gelten als sehr höflich, stehen an, auch wenn weit und breit sonst niemand an der Bushaltestelle zu sehen ist, und entschuldigen sich, wenn sie ein anderer anrempelt. Die feine englische Art zeigt sich ebenfalls im täglichen Sprachgebrauch. So erfordert es die Büroetikette in England, zunächst minutenlang Small Talk über das Wetter, das vergangene Wochenende und das kommende Wochenende zu machen, bevor man höflichst fragen darf, ob der Gesprächspartner freundlicherweise etwas erledigen kann – aber natürlich nur, wenn es keine Umstände macht. Das klingt dann in etwa so: „Terrible weather, isn’t it? Weekend was good, thanks… looking forward to next weekend, because… Oh, and while I’m here, could I ask you to kindly have a look at this newsletter, please? By Wednesday would be much appreciated, if it’s not too much trouble.” In Deutschland ist es hingegen vollkommen in Ordnung, zur jeweiligen Person zu gehen und direkt zu sagen: „Hey, wie war das Wochenende? Der Newsletter müsste bis Mittwoch geprüft werden, geht das? Super, danke.“
In England bedient man sich außerdem öfter abschwächenden Verben wie „could“ oder „may“ und „would“ statt „can“ und „will“, während man im Deutschen direkt sagt, was man braucht. Beispiel: „May I have the salt, please?“ statt „Gibst du mir das Salz, bitte.“ Merken Sie den kleinen Unterschied?
Also: Wir Deutsche verwenden gerne Wörter, die eine Sache auf den Punkt bringen, und sind im Umgang auch direkter als beispielsweise die Engländer, die stets in Art und Sprache höflich, aber dafür umschweifender sein können.
Und wie passt das jetzt zu mir?
Natürlich kann man mir jetzt vorwerfen, dass ich dieses Szenario schon sehr überspitzt dargestellt habe. Stimmt. Aber aufgrund meiner Zweisprachigkeit und Erfahrungen in beiden Ländern hat es mich interessiert, wieso ich beide Eigenschaften in mir erkennen kann und woher diese Einflüsse eigentlich kommen. Zum Beispiel ist meine deutsche Hälfte einerseits kein großer Fan von langem Small Talk, meine englische Hälfte hält mich andererseits aber in den meisten Situationen auch davon ab, eine Szene zu machen oder die Konfrontation zu suchen. So habe ich mich in England oft „deutscher“ gefühlt als jetzt, da ich wieder in Deutschland bin und lernen muss, Probleme direkter anzusprechen. Klar hatten meine Eltern viel mit den Grundzügen meines Charakters zu tun aber wieso sind Deutsche und Engländer überhaupt in einigen Dingen so verschieden? Macht unsere Sprache uns erst zu den Menschen, die wir sind? Oder beeinflusst unsere Mentalität auch unsere Sprache? Mit Blick auf die genannten Beispiele denke ich tatsächlich, dass beides zusammenhängt. Natürlich spielen auch einige andere Faktoren wie die Geografie und Geschichte eines Landes eine wesentliche Rolle in der Entwicklung der Mentalität. Aber eine Sprache definiert uns genauso und sagt auch scheinbar viel über unsere landestypischen Eigenheiten aus. Was sind Ihre Erfahrungen?