Englisch ist nicht gleich Englisch – über Sprachvarietäten und ihre Einflüsse

Posted November 7, 2018

Englisch

Von Jess Crutchley, übersetzt von Julia Harwardt

Wollen Sie chips oder fries dazu?

Bei einem Besuch in meiner walisischen Heimat fragte mich kürzlich die Kellnerin in einem Restaurant, ob ich lieber chips oder fries zu meinem Steaksandwich haben möchte. Zunächst war ich verwundert: Fries ist doch einfach nur die amerikanische Bezeichnung für unsere britischen chips. Oder nicht? Während ich noch über die Frage grübelte, kam mir wieder eine Reise nach Vietnam in den Sinn, wo wir vor einigen Jahren bei der Buchung unseres Bungalows auf der Insel Cát Bà zwischen ocean view und sea view wählen konnten. Den genauen Unterschied haben wir nie herausgefunden, was angesichts des atemberaubenden Ausblicks auf blauglitzerndes Wasser aber auch unerheblich war … Aber zurück zur eigentlichen Geschichte: Bei Klein Wolf Peters arbeiten wir täglich sowohl mit britischem als auch amerikanischem Englisch, sodass mir die Hauptunterschiede zwischen diesen beiden Sprachvarietäten wohlbekannt sind.

NOOBs und Amerikanisierung des britischen Englisch

Sprache ist ein dynamisches System, was sich auch an der anhaltenden Amerikanisierung der britischen Umgangssprache zeigt. Anstelle von get a coffee to take away oder get a takeaway hört man heute in Großbritannien mittlerweile auch die amerikanischen Pendants get a coffee to go bzw. grab take-out, ebenso catch a movie anstatt go see a film. Diese Entwicklung bezeichnet die britische Lexikografin Susi Dent als die „gefürchteten Auswirkungen der Amerikanisierung“ (zur Verdeutlichung ihrer Theorie verwendet sie dabei die amerikanische Schreibweise americanization statt der britischen americanisation).

Dasselbe lässt sich jedoch auch jenseits des Atlantiks beobachten: Der US-amerikanische Schriftsteller Ben Yagoda beispielsweise spricht von einer „alarmierenden Anzahl traditionell britischer Ausdrücke, die sich dauerhaft in den amerikanischen Wortschatz eingeschlichen haben“.

Eine ausführliche Liste dieser „not one-off Britishisms“ (NOOBs) findet sich auf seiner gleichnamigen Website https://notoneoffbritishisms.com/, darunter ginger für rothaarige Menschen oder baby bump für einen unübersehbaren Babybauch. Beide Begriffe könnten durch Texte britischen Ursprungs übertragen worden sein, die auch in den USA weit verbreitet sind ­– denken Sie an Harry Potter oder die britische Boulevardpresse. Aus Kundentexten, die ich jüngst übersetzt habe, könnte ich noch bespoke (für tailored) zur Liste hinzufügen.

Ob wir dies nun fürchterlich, alarmierend oder halb so wild finden: Die transatlantische „Fremdbestäubung“ des Englischen ist Fakt und resultiert wahrscheinlich aus der zunehmenden Globalisierung und dem Vormarsch internationaler Medien. Auch wenn sich dieser Blog um US-amerikanisches vs. britisches Englisch dreht, gilt das Gesagte in unterschiedlichem Ausmaß für alle weltweit bekannten Varietäten des Englischen. Ich finde es faszinierend, wie sich eine Sprache in verschiedenen geografischen Gegenden entwickeln kann. Doch zurück nach Wales …

Same same but different

(Diese Redewendung kommt ursprünglich übrigens weder aus Großbritannien noch den USA, sondern aus Südostasien, aber das nur nebenbei …) Im sprachaffinen Teil meines Gehirns fiel nun endlich der Groschen: Verglichen mit unseren dicken britischen chips sind die fries der Amerikaner viel dünner, und in besagtem Restaurant gab es schlicht beides. Und hier komme ich nun zum Punkt: In Sprachfragen kann der erste Eindruck trügen. Sogar bei vermeintlich bedeutungsgleichen Wörtern gibt es mitunter subtile Unterschiede, wie unser Beispiel mit chips und fries zeigt.

Ob bei der einsprachigen Textarbeit oder der Übersetzung in eine andere Sprache: Als Sprachexperten für Unternehmenskommunikation achten wir stets auf sprachliche Feinheiten und nutzen unser Wissen und unser Bewusstsein für die kulturellen Unterschiede, um Inhalte so aufzubereiten, dass ihre Botschaften die gewünschte Zielgruppe erreichen.

Und so werden meine Kollegen und ich fröhlich jeden Tag weiterdiskutieren: darüber, ob es nun Britishism oder Briticism und Americanization oder Americanisation heißt, welche kleinen, aber feinen Unterschiede zwischen britischem und amerikanischem Englisch existieren und welche kulturellen und linguistischen Aspekte bei der Übersetzung zwischen Englisch und Deutsch wichtig sind. Wir lieben es!

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